Obwohl Frauen schon seit über 100 Jahren in Deutschland wählen dürfen, sind sie in der Politik noch deutlich unterrepräsentiert. Insbesondere auf kommunaler Ebene sind nur ca. 30% der Politiker*innen weiblich (HWK) Wieso ist das so und wie wird die Gleichstellung der Geschlechter in der Politik gefördert?
Seit 1918 können Frauen in Deutschland wählen. Durch gemeinsame Petitionen, Versammlungen und Sonderschriften von Aktivistinnen verschiedener Organisationen wurde im 20. Jahrhundert massiv die politische Öffentlichkeit mobilisiert. Als Reaktion hat der Rat der Volksbeauftragten 1918 das Wahlrecht auch auf Frauen ausgeweitet (bpb). Um aber nicht nur wählen und sich zur Wahl aufstellen zu können, sondern auch gewählt zu werden, braucht es noch mehr Engagement und einen Wandel in unserer Gesellschaft.
Zur Entwicklung des Wahlrechts in Deutschland
Denn auch heute ist Parität, also die Gleichstellung in der politischen Sphäre, noch nicht erreicht: weder bundesweit, innerhalb der Bundesländer oder auf kommunaler Ebene. Auf Kommunalebene machen Frauen zum Beispiel nur 27-30 % in Vertretungen aus. Es gibt lediglich 10% an Bürgermeisterinnen und 9% Oberbürgermeisterinnen. Auf Landesebene sehen die Zahlen ähnlich aus: In den Landtagen sind durchschnittlich 33 % Frauen vertreten, wobei die Spannbreite zwischen 44 % in Hamburg und 27 % in Bayern variiert. Nur 4 von 16 Ministerpräsdent*innen sind weiblich (HWK).
Formal die gleichen Rechte zu haben, wie zum Beispiel das Wahlrecht, bedeutet noch nicht, dass auch faktisch alle gleichberechtigt sind. Sogenannte strukturelle Benachteiligungen für Frauen in der Politik bestehen nach wie vor. Das bedeutet, dass unsere Gesellschaft, also das Zusammenspiel von allen Menschen und wie wir unsere soziale Ordnung organisieren, immer noch so ausgelegt ist, dass es für Frauen schwerer ist, in der Politik gehört zu werden. Ihre Ideen, Erfahrungen und Fähigkeiten werden von Parteien und Parlamenten noch nicht im gleichen Maße repräsentiert, wie die von männlichen Politikern (HWK).
Das liegt einerseits noch an den Folgen der Geschichte, da Frauen anfangs in der parlamentarischen Demokratie gezielt ausgeschlossen wurden. Hinzu kommen gesellschaftliche Standards wie zum Beispiel Rollenbilder. Diese tragen dazu bei, dass es für Frauen schwieriger ist, noch Zeit für politisches Engagement zu haben. Die Vereinbarkeit von Beruf und Familie wird in Deutschland immer noch zum großen Teil Frauen zugeschrieben. Studien zeigen außerdem, dass Männer größere Chancen haben als Kandidat aufgestellt zu werden. Das liegt an den Normen, durch die unsere Wahrnehmung geprägt ist. Es erscheint uns zum Beispiel selbstverständlicher, einen Bürgermeister als eine Bürgermeisterin zu sehen (HWK).
Die strukturelle Benachteiligung von Frauen in der Politik ist kein unbekanntes Phänomen. Seit Jahrzehnten wird durch verschiedene Maßnahmen versucht, dieser entgegenzuwirken. Einer der wohl bekanntesten Mechanismen ist die sogenannte Frauenquote. Dabei kann es zum Beispiel innerhalb einer Partei die Quote geben, dass ein gewisser Prozentsatz an wichtigen Ämtern von Frauen übernommen werden soll. Auf bundesweiter Ebene gibt es solche Vorgaben (noch) nicht. Allerdings starten einzelne Bundesländer mit einem sogenannten Paritäts- oder Parité-Gesetz nach französischem Vorbild.
In Brandenburg zum Beispiel müssen Parteien bei der Erstellung ihrer Landeslisten darauf achten, dass Frauen und Männer zu gleichen Teilen aufgestellt werden. Dazu wird eine Frauen- und eine Männerliste gewählt und die Gesamtliste dann abwechselnd von beiden Listen aus besetzt. Welches Geschlecht den Listenplatz 1 erhält, wird von der Wahlversammlung entschieden (HWK).
Trotz dieser Bemühungen sind Frauen in den Parlamenten sowohl auf Bundes- als auch auf Landesebene deutlich unterrepräsentiert mit teilweise negativer Tendenz (HWK). Noch dazu sind die Paritätsgesetze zwar ein guter Ansatz, aber es werden lange nicht alle Menschen damit berücksichtigt. Lediglich von der Unterteilung in Männer und Frauen auszugehen ignoriert diejenigen, die sich nicht in dieser binären, also zweigeschlechtlichen Ordnung wiederfinden und mit keinem der beiden Geschlechter identifizieren. Es wäre also ein Ansatz, statt Frauenquoten eher Quoten für alle Menschen, die sich nicht als männlich identifizieren, einzuführen. So werden mehr Menschen inkludiert, die strukturelle Benachteiligung erfahren.
Bisher sieht das Paritätsgesetz in Brandenburg nur vor, dass sich die entsprechenden Personen für die Männer- oder Frauenliste entscheiden sollen und Parteien, die nur für ein Geschlecht offen sind (reine Frauen- oder Männerparteien) keine Quoten berücksichtigen müssen (HWK). Damit bleiben im Gesetz noch einige Lücken. Außerdem gilt diese Aufteilung nur für die ersten Listenplätze, bei den hinteren Plätzen müssen die Kandidierenden nicht mehr strikt paritätisch aufgeteilt werden (HWK). Wo aber genau die Grenze liegt, bleibt unklar.
Klar ist, um Gleichstellung in der Politik und in den Parlamenten zu erreichen, muss noch viel passieren. Aber es gibt zahlreiche Projekte und Initiativen, die aktiv Frauen in der Politik fördern und stärken. Mit Blick auf die kommunale Ebene stellen wir euch spannende Projekte vor, die sich für mehr Gleichberechtigung und Frauen in der Kommunalpolitik einsetzen:
🚺 Helene Weber Kolleg
Das Ziel des Helene Weber Kollegs (kurz HWK) ist, mehr Frauen in die Parlamente zu bringen. Dafür werden zum Beispiel Empowerment Programme, Mentoring, Netzwerkveranstaltungen und Fortbildungen organisiert. Dabei wird bei der Entwicklung aller Programme die Ergebnisse wissenschaftlicher Studien mit kommunalen Mandatsträgerinnen und Bürgermeisterinnen berücksichtigt und eingebunden. Zur Website: https://www.frauen-macht-politik.de/
📈 Studien
2014 wurde von der Europäischen Akademie für Frauen in Politik und Wirtschaft Berlin e. V. (EAF Berlin) die Studie “Frauen führen Kommunen” herausgegeben, die sich mit den Karrierewegen von Bürgermeisterinnen in Ost- und Westdeutschland befasst. 2019 wurde sie durch eine repräsentative Umfrage unter über tausend Bürgermeisterinnen in ganz Deutschland ergänzt. Außerdem hat die EAF Berlin die Studie “Engagiert vor Ort” umgesetzt, in der über 1000 Kommunalpolitikerinnen über ihre Erfahrungen sprechen. Zur Website: https://www.eaf-berlin.de/
🏛 2. Deutscher Frauenkongress
Am 13. September 2022 findet außerdem zum zweiten Mal der “Deutsche Frauenkongress Kommunal” statt. Politiker*innen auf Bundes-, Landes- und Kommunalebene teilen ihre Erfahrungen und Perspektiven in Vorträgen. Das Ziel ist zudem, neue Möglichkeiten und Impulse für weitere Veränderung zu erlangen. Zur Anmeldung: https://www.lyyti.fi/reg/2Frauenkongress-kommunal
🏡 Aktionsprogramm Kommune
Der oben erwähnte Kongress findet im Rahmen des “Aktionsprogramm Kommune: Frauen in die Politik” statt, das Demokratiewerkstätten, Vernetzungmöglichkeiten und Mentoringprogramme anbietet.